Bienenbeute Schiffer Tree für eine „Revolution in der Bienenhaltung“
Torben Schiffer präsentierte in der NDR Sendung „meinNachmittag – Der Bienenforscher aus Hamburg“ (15.4.2019) die Bienenbeute „Schiffer Tree“ als erste artgerechte Beute überhaupt. Sie soll die Honigbienen gegen manipulative Eingriffe des Menschen schützen und dennoch das Imkern ermöglichen. Sie nimmt in Anspruch der Grundstein für eine „Revolution in der Bienenhaltung“ zu sein.
Die Beute wird von der Firma Nova Ruder GmbH in der Schweiz produziert, der Preis für eine Beute inklusive Honigraum liegt bei etwa 700€ + Versandkosten.
Der erste Prototyp wurde Februar/März 2019 fertiggestellt. Eine erste Besiedlung mit Honigbienen erfolgte frühstens im April/Mai 2019 mit Beginn der Schwarmzeit. Der Schiffer Tree ging ohne Testphase gleich in die Produktion und den Verkauf.
Selbstvertrauen, Selbstanspruch und Preis waren und sind sehr hoch. Bei genauer Betrachtung der Bienenbehausung kann sie die selbst gesteckten Ziele aber keineswegs erfüllen.

Konstruktive Eigenschaften der Bienenbeute Schiffer Tree
Der Beutenkörper ist zylindrisch und wird oben und unten von massiven Baumscheiben abgeschlossen. Diese 3 Bauteile werden über 4 Gurte/Zugstangen zusammengehalten. Die Seitenwände bestehen aus 6cm dickem Massivholz. Der Außendurchmesser der Röhre beträgt 33cm, der Innendurchmesser 21cm und die Höhe 90cm. Das Volumen des Brutraums ergibt sich zu 31l. Zusammengehalten wird die Röhre über 3 Stahlbänder mit Spannschrauben. Das Flugloch ist ein 6cm langer Tunnel, befindet sich im unteren Bereich und hat einen Durchmesser von 4cm.
Konstruktionsbedingt sind Probleme aufgrund des Feuchtigkeitsverhaltens von Holz (Quellen und Schwinden) wahrscheinlich. In den holzanatomischen Richtungen tangential und radial sind die Verformungen besonders groß. Im Laufe der Jahreszeiten kann der Durchmesser der Röhre sich somit um bis zu 1cm ändern wollen, was die Entstehung großer Kräfte in der Konstruktion (beim Quellen) oder das Herunterfallen der Edelstahlringe (beim Schwinden) bedeuten würde. Die Nachrüstung mit der 5mm dicken Korkunterlage halte ich nicht für ausreichend, zumal auch bei Kork unter großer Last plastische Verformungen auftreten.
Die Edelstahlfüße der Beute kragen nur wenige Zentimeter über den Beutenboden hinaus. Das Kippmoment durch Windkräfte ist je nach Aufstellungsort innerhalb Deutschlands (Binnenland) bis zu zweimal so groß wie das Standmoment bei der Geometrie der Beute. Die Beute muss also zusätzlich gesichert werden, um ein Umkippen durch Windkräfte auszuschließen.
Betriebsweise mit der Beute Schiffer Tree
Der Schiffer-Tree soll sowohl wild lebenden Honigbienen als Behausung angeboten werden, als auch als Beute zum Imkern dienen.
Die Honigbienen bauen in der Beute Naturwaben im Stabilbau, ein Herausnehmen der einzelnen Waben ist nicht möglich. Es gibt keinerlei Revisionsöffnungen. Ein Öffnen der Beute im Betrieb ist nicht möglich. Auch ein Kippen der Beute um einen Blick von unten auf den Wabenbau zu erlangen ist praktisch nicht möglich. Eine Kontrolle des Varroabefalls durch ein Kontrollbrett ist nicht vorgesehen. Das Bienenvolk ist mit Absicht unerreichbar für den Imker.
Der komplette Verzicht auf Revisionsöffnungen stellt auch für den erfahrenen Imker ein unlösbares Problem dar: Im Verdachtsfall von schwerwiegenden Erkrankungen, oder beim Ausbruch einer Bienenseuche in der Region, kann man bei dieser Beute nicht den Wabenbau untersuchen oder Futterkranzproben entnehmen. Die Kontrolle und Bekämpfung von Seuchen und Bienenkrankheiten in der Region wird durch den Betrieb solcher Beuten massiv behindert. Das Imkern mit einer solchen Beute ist rücksichtslos gegenüber der Imkerschaft, den Veterinärämtern und nicht zuletzt auch gegenüber den Bienen selbst.
Die Nutzung des Schiffertrees als natürliche Bienenbehausung für wildlebende Bienenvölker, bzw. als Beute für die Auswilderung von Honigbienen, ist prinzipiell möglich. Voraussetzung hierfür ist aber unbedingt eine Einzelaufstellung mit mehreren Kilometern Abstand zum nächsten Bienenvolk. Eine solche Aufstellung wäre nur in sehr gering besiedelten Gebieten denkbar.
Wärmedämmung & Wärmekapazität der Bienenbeute nach Torben Schiffer
Durch die gewählte Geometrie reicht die winterliche Bienentraube seitlich an die Beutenwände, vermutlich ebenso wie in einer natürlichen Baumhöhle. Allerdings bietet die natürliche Baumhöhle den Honigbienen seitlich massive Wandstärken. Der Schiffer-Tree weist gerade einmal eine Wandstärke von 6cm auf, und somit nur einen Bruchteil dessen, was die Natur den Bienen viele Millionen Jahre geboten hat. Die seitliche Wärmedämmung des Schiffer-Trees ist somit für die Bienentraube sogar geringer als in einer voll ausgebauten Magazinbeute. In diesen ist die Wärmedämmung um die Wintertraube aufgrund des dort vorhandenen Wabenbaus passabel (sofern die dämmende Wirkung nicht durch Belüftung ausgeschaltet wird).
Die Wärmedämmung des Wabenbaus wird auch bei den durchgeführten Vergleichsmessungen von Beutensystemen nicht berücksichtigt. Dabei ist die wärmedämmende Wirkung des Wabenbaus keine neue Erkenntnis, sie ist Thema verschiedener Studien. So stellt beispielsweise Southwick 1984 eine Wärmedämmung des unbesetzten Wabenbaus in der Größenordnung von Massivholz fest (Thermal conductivity of wax comb and its effect on heat balance in colonial honey bees).
Den Umstand der schlechten Wärmedämmung versucht Schiffer gerne zu kaschieren, indem er die hohe Wärmekapazität der Beute betont. Diese bewirkt aber lediglich eine Dämpfung kurzfristiger Belastungsspitzen und hat keine nennenswerte energiesparende Wirkung. Von Vorteil ist eine große Wärmekapazität bezüglich des sommerlichen Hitzeschutzes. Dieser Vorteil lässt sich aber noch viel besser in Kombination mit einer guten Wärmedämmung erzielen. So erzielt beispielsweise die Ramelli 18 Beute mit 6cm zusätzlicher äußerer Schafwolldämmung einen wesentlich besseren Hitzeschutz als der Schiffertree. Auf den folgenden Grafiken ist gut zu erkennen, dass es in einer Baumhöhle mit 20cm Wandstärke (Buche) innen zu keinen nennenswerten Temperaturschwankungen infolge äußerer Belastungen kommt (rechnerische Amplitudendämpfung 8,6). Die Ramelli 18 Beute kann durch ihren doppelwandigen Aufbau die Belastung sehr gut dämpfen (rechnerische Amplitudendämpfung 5,7). Der Schiffertree dagegen reduziert die Belastung nur geringfügig (rechnerische Amplitudendämpfung 1,2).
Ich möchte den Hitzeschutz nicht überbewerten: Die Bienen haben grundsätzlich die Möglichkeit ihren Bienenstock zu kühlen. Man sollte lediglich beachten, dass dünnwandige Bienenbeuten und der Schiffertree im Schatten aufgestellt werden müssen, wenn man denn unbedingt damit arbeiten will. Dann dürften Wabenabrisse in der Regel ausbleiben. Trotzdem bedeutet das Kühlen der Bienen einen hohen Energieaufwand und somit am Ende weniger Honig für die Bienen (und den Imker).
Viel wichtiger ist die Wärmedämmung und der winterliche (bzw. vor allem der herbstliche und frühjährliche) Wärmeschutz. Der Wandaufbau der Ramelli 18 Beute hat einen 3-fach höheren Wärmedurchgangswiderstand als der des Schiffertrees! Die Wärmedämmung der Seitenwände der Ramellibeute entspricht der einer 27cm starken Seitenwand aus Fichtenholz. Den Bienen fällt es hier um ein Vielfaches leichter die Temperatur in der Beute zu regulieren, sie benötigen dafür weniger Energie/Honig.
Wärmebilder der Beute zur Veranschaulichung der Theorie
Um die vermeintlich gute Wärmedämmung des Schiffertrees zu demonstrieren und sie mit anderen Beutensystemen zu vergleichen werden 4 Wärmebilder präsentiert. Von diesen Wärmebildern weist nur eines eine Legende für Farben/Temperaturen auf. Diese Legende ist aber zwingend erforderlich um Rückschlüsse aus den einzelnen Bildern ziehen zu können. Es ist keineswegs so, dass die Legende eines Bildes auf andere Bilder übertragbar wäre. Die Wärmebildkameras wählen bei jedem Bild situationsabhängig eine neue Skalierung/Farbgebung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Aussagekraft solcher Wärmebilder ganz allgemein beschränkt ist. Die gemessenen Temperaturen sind relativ ungenau (±2°C), die Messwerte bei verschiedenen Oberflächen, Materialien, Blickwinkeln und Abständen lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen.
Abgesehen von der grundsätzlich nur bedingten Aussagekraft solcher Wärmebilder und abgesehen von den fehlenden Legenden haben die präsentierten Wärmebilder aus einem weiteren Grund keine Aussagekraft: In den abgelichteten Beuten befinden sich ebenso wie bei den Messreihen keine Bienenvölker mit ihrem Wabenbau, sondern sogenannte „Bienenroboter“, ohne Wabenbau. Diese „Bienenroboter“ bestehen aus einer Heizung und einer anliegenden Schale zum Verdunsten von Wasser. Die Heizung versucht nun an einer Stelle in der Beute eine eingestellte Temperatur zu halten, die Wassermenge in der Verdunstungsschale wird der Heizleistung angepasst. Auf diesem Weg simuliert der „Bienenroboter“ die Heizleistung und den Feuchtigkeitsausstoß eines Bienenvolkes. Die Idee hierzu finde ich gut, weil auf diesem Wege bei Vergleichsmessungen verschiedener Beuten der Umstand ausgeschaltet werden könnte, dass kein Bienenvolk dem anderen gleicht. Da es aber keine Bienenstöcke ohne Wabenbau gibt und da der Wabenbau einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Wärmedämmung des gesamten Systems hat, ist diese Idee nur ungenügend umgesetzt. Die Wärmebilder haben keine Aussagekraft.

Einfluss der Geometrie auf den Wärmehaushalt der Honigbienen
Torben Schiffer bewertet die Geometrie der Beute und des den Honigbienen zur Verfügung stehenden Raumes als überaus wichtig für die Honigbienen. Belege und Untersuchungen für diese Erkenntnis liefert er nicht. Als augenscheinlich plausible Begründung erklärt er, dass die Honigbienen die seitliche Beengung aus Wärmeschutzgründen benötigen. Das ist falsch, das Gegenteil ist der Fall: Die seitliche Beengung nimmt den Honigbienen die Möglichkeit die Bienentraube mit ihrer eigenen Dämmung – dem Wabenbau – zu umgeben. Wegen der seitlichen Beengung muss man den Honigbienen zwangsläufig eine vernünftige Wärmedämmung durch die Konstruktion der Beute bieten!
Weiterhin soll die warme Luft nach oben strömen und somit gleich die Honigvorräte oberhalb der Bienentraube warmhalten. Hier wird erneut die Wärmedämmung des Wabenbaus mit ihren ruhenden Luftschichten ignoriert. Es ist davon auszugehen, dass es innerhalb des Wabenbaus nahezu keine nicht von den Honigbienen angeregte Luftbewegungen gibt. Folglich gibt es auch nahezu keine Wärmeübertragung durch Luftströmungen innerhalb des Wabenbaus. Diese Annahmen werden durch bereits weiter oben genannte HOBOS-Daten gestützt und entsprechen gängigen bauphysikalischen Betrachtungsweisen (Vergleiche Schneider Bautabellen Tafel 10.3 Wärmedurchlasswiderstände von Luftschichten). Die gegenteilige Annahme sollte in irgendeiner Form begründet/belegt werden.
Obwohl Torben Schiffer mit seiner Begründung falsch liegt, kann es natürlich sein, dass die Geometrie tatsächlich einen Einfluss auf die Bienengesundheit hat. Zur Beurteilung wären ausführliche Untersuchungen notwendig. Vorstellbar ist beispielsweise, dass es den Honigbienen in einer hohen und schlanken Geometrie bei guter vorhandener Wärmedämmung leichter fällt die Feuchtigkeit zu regulieren, bzw. sie gar nicht reguliert werden muss. Aber das ist auch nur eine Theorie.
Verzicht auf Schraubverbindungen zur Vermeidung von Wärmebrücken
Es spricht grundsätzlich nichts gegen einen Verzicht auf Schraubverbindungen, abgesehen davon, dass die Konstruktion aufwendiger und teurer wird. Bei der Konstruktion von Bienenbeuten Schraubverbindungen vermeiden zu wollen, mit der Begründung punktuelle Wärmebrücken zu vermeiden, halte ich für einen Marketing-Gag.
Punktuelle Wärmebrücken entstehen im Häuserbau beispielsweise bei der Verschraubung von Wärmedämmelementen an einer Fassade. Hier werden Schraubverbindungen in Richtung des Temperaturgefälles angebracht und bilden eine „Brücke“ zwischen Schichten mit starken Temperaturunterschieden.
Bei den üblichen Schraubverbindungen von Bienenbeuten, beispielsweise beim Verschrauben der Seitenwände von Magazinbeuten, liegen nur minimalste Temperaturunterschiede an den verschiedenen Enden der Schrauben an. Hier anfallende Wärmeverluste sind marginal und vernachlässigbar.
Die auf den präsentierten Wärmebildern farblich zu erkennenden Verschraubungen an der Magazinbeute sind vermutlich auf die unterschiedlichen Materialien/Oberflächen zurückzuführen. Um sich ein Urteil darüber zu bilden wäre aber eine Legende mit Farben und Temperaturen zwingend erforderlich.
Fazit zur Bienenbeute nach Torben Schiffer
Die Unerreichbarkeit der Bienen im Betrieb der Beute Schiffer Tree ist für eine für den Verkauf bestimmte Beute zum Imkern zweckwidrig und kontraproduktiv. Ihr Einsatz verbietet sich aus Gründen der fehlenden Möglichkeit zur Kontrolle und Bekämpfung von Bienenseuchen und Krankheiten.
Das selbst gesteckte Ziel eine artgerechte Bienenbehausung abzubilden wird nur ungenügend umgesetzt. In der vermutlich wichtigsten Anforderung versagt der Schiffer Tree geradezu: Bei der Wärmedämmung.
Die Konstruktion der Beute ist unnötig aufwendig und teuer. Konstruktionsbedingt sind Beschädigungen der Beute durch Schwind- und Quellkräfte des Holzes wahrscheinlich. Des weiteren ist die Standsicherheit der Beute nicht gegeben, sie muss zusätzlich befestigt werden.
Insgesamt ist der Schiffer Tree untauglich für die Imkerei, genügt nicht den Ansprüchen einer artgerechten Bienenhaltung, ist konstruktiv fehlerhaft und preislich überteuert.
Es gibt intelligente Ansätze für artgerechte Bienenbeuten, welche auch für eine Auswilderung von Honigbienen geeignet sind. Beispielsweise Klotzbeuten mit großen Außendurchmessern. Wer sich nicht scheut seine Beute selber zu bauen, der findet hier eine kostengünstige Variante: Gruibert Beute. Man kann aber auch durch einfache Umbauten von gängigen Beutensystemen bessere Ergebnisse erzielen als mit dem Schiffer Tree.
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