Was ist eine artgerechte Bienenbeute?
Es herrscht weitgehend Einigkeit in der Wissenschaft, dass die westliche Honigbiene im Laufe ihrer Evolution hauptsächlich Baumhöhlen als Behausung genutzt hat und dass diese Baumhöhlen überwiegend Faul- und Spechthöhlen waren. Demnach sind die Eigenschaften, die die Honigbienen in solchen Behausungen über Millionen von Jahren vorgefunden haben, als artgerecht zu bewerten.
Eine gute Wärmedämmung ist vermutlich die wichtigste Eigenschaft solcher Baumhöhlen. Nicht alleine wegen Wärmedämmung und Hitzeschutz, sondern auch aus Gründen des Feuchteschutzes für die sensiblen Bereiche des Bienenstockes. Bei einer geringen/fehlenden äußeren Dämmung um den Wabenbau kommt es bereits im Wabenbau zu einem Kondenswasseranfall. Eine geringe Belüftung und das Feuchteverhalten von Holz sind ebenfalls charakteristische Eigenschaften und Gemeinsamkeiten solcher Baumhöhlen. Aber auch die Geometrie der Höhlen und die Lage und Form der Fluglöcher dürften eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen.
Zum Thema Spechthöhlen und wild lebenden Honigbienen gibt es umfangreiche Informationen in dem Artikel „Ein bisher kaum beachteter Mosaikstein im Ökosystem Wald: Die wild lebende Honigbiene Apis mellifera und die Rolle von Spechten und Pilzen für ihr Überleben“ von Dipl. Biol. Sigrun Mittl.
Über die Eigenschaften der Beute hinaus spielt natürlich die Betriebsweise eine ganz entscheidende Rolle für eine artgerechte Bienenhaltung. Die radikalste und artgerechteste Betriebsweise wäre die Honigbienen in keiner Form zu behandeln, komplett in Ruhe zu lassen und keinen Honig zu entnehmen.
Konkret sollte eine artgerechte Bienenbeute folgende Konstruktionsmerkmale aufweisen:
- Seitenwände, Boden und Deckel mit Wärmedämmung
- geschlossener Boden, keine zusätzlichen Belüftungen
- Verwendung natürlicher Materialien
- einen Fluglochtunnel im unteren Bereich
- ungeteilter Brutraum
- Brutraumvolumen mit Geometrie einer Kugel oder eines Quaders, Wabenbreite idealerweise gleich Wabenhöhe
- Naturwabenbau
- Punkte 6 und 7 verlieren an Bedeutung mit steigender Wärmedämmung
Umsetzung von artgerechten Bienenbeuten im Beutenbau
In der zweiten Hälfte 2023 werden hier konkrete Maßnahmen vorgestellt, um aus handelsüblichen Bienenbeuten mit überschaubarem Aufwand artgerechte Bienenwohnungen zu machen.
Bis dahin sei hier auf die tollen Bienenbeuten der kleinen Holzbiegerei (siehe Titelbild) verwiesen. Es handelt sich um Beuten mit denen man naturnah Bienen halten, bzw. auch imkern kann. Die Konstruktionen der Beuten sind geschickt und weitestgehend einwandig mit Schilfrohr ausgeführt. Hierdurch sind die Beuten sehr leicht und für den Imker gut zu händeln.
Das gewählte Schilfrohr ist im Beutenbau eine sinnvolle Alternative zu Holz. Es bietet viele der Eigenschaften von Holz und übertrifft sie teils deutlich. So ist beispielsweise die Wärmedämmwirkung von Schilf mehr als doppelt so groß wie die von Holz. Es ist etwa 5x leichter und verfügt dennoch über eine vergleichbare Stabilität. Es ist weitestgehend resistent gegen Fäulnis (im Gegensatz zu Holz), was an dem hohen natürlichen Silikatgehalt liegt. Es ist ebenso wie Holz diffusionsoffen und sorptionsfähig, was eine regulierende (dämpfende) Wirkung auf Feuchtigkeitsschwankungen innerhalb der Bienenbehausung hat (zumindest so lange die Wände nicht mit Propolis überzogen sind). Und es ist im Gegensatz zu Holz nicht kapillar leitfähig, wodurch eine Durchfeuchtung ausgeschlossen ist.
Einzig in Sachen Hitzeschutz ist Schilfrohr gegenüber Holz im Nachteil: Einhergehend mit der geringeren Masse verfügt Schilf auch über eine deutlich geringere Wärmekapazität.



Eine weitere gelungene Lösung für artgerechte Bienenhaltung ist nach unseren Kriterien die Ramelli Beute, die wir bereits im Juni 2021 in einem Beitrag vorgestellt haben.
Und nicht zuletzt sind selbstredend Klotzbeuten potenziell artgerechte Bienenwohnungen, sie kommen den natürlichen Baumhöhlen grundsätzlich am nächsten. Allerdings benötigen sie sehr unhandliche Abmessungen um ansatzweise mit solchen natürlichen Baumhöhlen mithalten zu können: Die Wandstärken sollten größer als 10 cm sein.
Die Geometrie des Brutraums sollte nicht zu schlank sein: Je näher Wabenhöhe und Wabenbreite beieinanderliegen, desto leichter fällt den Bienen die Klimaregulierung und desto gleichmäßiger ist die Temperaturverteilung in den Wabengassen. Das ist ein Zusammenhang, der auch für alle anderen Beutensysteme gilt und der in Zukunft hier noch ausführlicher besprochen wird.
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